Nachhaltigere Gewürze: Wie die AVO-Werke die Nachhaltigkeit ihrer Gewürze kontinuierlich verbessern.
An der Produktpalette der AVO-Werke kommt fast keiner von uns vorbei, auch wenn wir meist nichts davon erfahren. Als Marktführer in Deutschland und Europa finden sich die Verarbeitungsgewürze des mittelständischen Familienunternehmens in vielen Endprodukten, darunter Snacks, Würzsaucen, Fleisch- und Wurstwaren sowie vegetarische und vegane Alternativen. Vor drei Jahren haben sich die AVO-Werke nach dem ZNU-Standard zertifizieren lassen. Maßgeblich verantwortlich für die Umsetzung war und ist Louis Rosenzweig. Er erzählt, wie es dazu kam und warum der ZNU-Standard für ihn und sein Team so gut funktioniert.
Louis Rosenzweigs Werdegang bei den AVO-Werken
Bei Louis Rosenzweig sind die Themen nachhaltigeres Wirtschaften und die AVO-Werke eng miteinander verbunden. Bereits während seines Studiums in Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Lebensmittelproduktion arbeitete er für den Gewürzhersteller. Damals noch im Bereich Marketing und Vertrieb wurde er gefragt: „Welches Thema möchtest du behandeln?“ Für Rosenzweig, der im Studium bereits mit Nachhaltigkeit konfrontiert war, war die Antwort klar: „Am liebsten den Bereich Nachhaltigkeit.“
Inspiration fand er auch auf dem Klimagipfel 2023, als er Hans Joachim Schellnhuber, einen renommierten Klimaforscher, sprechen hörte. Dieser Vortrag hat Rosenzweig in seinem Weg sehr bestätigt.
„2023 war ich auf dem Umwelt- und Klimagipfel in Berlin. Professor Dr. Dr. Schellnhuber hat dort eine ganz, ganz spannende Präsentation gehalten - über die ganzen Kipppunkte, die Klimaelemente und wie das alles eigentlich zusammenhängt. Das hat mir noch mal richtig die Augen geöffnet und mich in diesem Job sehr bestätigt. Sowas motiviert nochmal mehr, wenn man einen so großen Hebel im Unternehmen hat.“
Erste Schritte
Das erste Projekt im Bereich Nachhaltigkeit nennt Rosenzweig heute „blauäugig“. Seine Vorgesetzten und er einigten sich darauf, dass er „mal eben“ den Nachhaltigkeitsbericht erstellt. „Nach zwei, drei Monaten haben wir festgestellt, dass es eine Mammutaufgabe ist. Also sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass ich das Nachhaltigkeitsmanagement systematisch aufbaue und die ganzen KPIs erfasse.“ Auf diese Weise kam Louis Rosenzweig zum eigentlichen Nachhaltigkeitsmanagement.
"Da sind wir sehr blauäugig rangegangen und haben gesagt, ‘komm, wir erstellen mal Nachhaltigkeitsbericht, mal eben so als Bachelorarbeit, und schauen dann was wir haben‘."
Strategisch im Unternehmen verankern – der Impuls für den ZNU-Standard
Ein Erfolgsfaktor war, dass AVO als Familienunternehmen über kurze Entscheidungswege verfügt. „Das haben selbst die Auditoren festgestellt: wie viel Entscheidungskraft wir im Nachhaltigkeitsmanagement haben und wie schnell Projekte umgesetzt werden können.“
Einen entscheidenden Impuls gab der damalige Geschäftsführer Guido Maßmann. Er brachte den ZNU-Standard ins Spiel und schlug Rosenzweig vor, sich mit diesem systematischen Ansatz näher zu befassen. Diese Entscheidung zeugte sowohl von gesellschaftlicher Verantwortung als auch von der Weitsicht, dass auf gesetzlicher und Kundenebene die Anforderungen steigen würden.
Ob Rosenzweig auch Fragen und Zweifel bezüglich der Umsetzung des Standards hatte? „Ja, einige sogar. Wie schaffen wir es überhaupt, so etwas in überschaubarer Zeit umzusetzen? Wie starten wir überhaupt?“
Ursprünglich gingen sie von anderthalb bis zwei Jahren aus. Geschafft haben die AVO-Werke es schließlich in zwölf Monaten. Möglich wurde das auch durch externe Unterstützung: „Wir wurden von einer Beratung gut an die Hand genommen. Das war für uns das A und O.“
"Unsere Timeline war eigentlich anderthalb, zwei Jahre, aber wir konnten dann relativ zeitnah mit der Zertifizierung starten, denn das ist ja auch ein Standard, der sich entwickelt und wo wir uns entwickeln.“
Die wesentlichen Themen und ersten Erfolge
Der ZNU-Standard beginnt mit einer Analyse der für das Unternehmen wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen. Überraschungen gab es für das neu gebildete Nachhaltigkeitsteam nicht. Ganz oben auf der Agenda standen Klima, Beschaffung, Menschenrechte und Personalthemen.
„Wir haben ein sehr spannendes Produkt: Gewürze. Deswegen lag der Fokus insbesondere auf produktbezogenen Themen.“ Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Lieferkette, die bei Gewürzen den größten Einfluss auf Nachhaltigkeit hat. „Wir haben viele deutsche und europäische Händler und arbeiten uns nach und nach in die Ketten hinein, analysieren die Strukturen und setzen Präventionsmaßnahmen um. Dabei ist der Einkauf ein sehr wichtiger Partner für mich.“
Messbare Fortschritte gibt es inzwischen in vielen Bereichen. So wurde der Wasserverbrauch in der Produktion von 2,1 auf 1,8 Liter pro Kilogramm gesenkt, der Palmölverbrauch konnte in vier Jahren um 75 Prozent reduziert werden. Auch beim Verpackungsmanagement sind deutliche Erfolge sichtbar: Stretchfolien wurden dünner, Haubenfolien von 100 auf 60 Mikrometer reduziert und viele Materialien auf recyclingfähige Monomaterialien umgestellt.
Ein besonders anschauliches Beispiel ist die Optimierung der sogenannten Salzfahrten. Früher wurden große Mengen Salz genutzt, um Produktionsanlagen zwischen Produktwechseln zu reinigen. Heute reichen etwa 50% davon. Das spart Ressourcen, ohne die Lebensmittelsicherheit zu gefährden.
„Wir haben da jetzt das System implementiert und arbeiten uns nach und nach in die Lieferkette. […] Dabei ist der Einkauf ein sehr wichtiger Partner für mich.“
Von der Idee zur Veränderung – wie Mitarbeitende das Thema tragen
Bei den AVO-Werken wurde früh auf ein großes, bereichsübergreifendes Nachhaltigkeitsteam gesetzt. Rosenzweig achtete bewusst darauf, mit wem er zusammenarbeitet: „Ich habe mir die Leute gezielt ausgesucht, bei denen ich das Gefühl hatte, mit denen kann ich gut Projekte umsetzen.“
Am Anfang sei Nachhaltigkeit bei manchen Kolleg:innen noch belächelt worden. „Aber weil es von der Geschäftsführung klar gesetzt wurde, hat es schnell Zuspruch bekommen.“
Daraus entstand ein Vorschlagswesen, das Beiträge aus der Belegschaft strukturiert aufgreift und finanziell würdigt. Zwar habe sich die Menge der Vorschläge zuletzt etwas reduziert, sagt Rosenzweig, „aber die Kultur bleibt bestehen. Wenn die Idee von den Leuten selbst kommt, stehen sie auch ganz anders dahinter.“
Neben diesem Bottom-up-Ansatz spielen auch interne Multiplikatoren eine Rolle. Guido Boberg, Marketingleiter bei den AVO-Werken, spricht von „Nachhaltigkeits-Influencern“ im Unternehmen, also Mitarbeitenden, die besonders engagiert sind und das Thema sichtbar oder unsichtbar weitertragen.
„Das beste Beispiel im Verpackungsbereich ist unsere Verpackungs-Einkäuferin, die Stück für Stück mit mir die Verpackungen auf nachhaltigere Alternativen abändert. Da kommt sehr viel Initiative von ihr, aber auch von den Mitarbeitenden direkt aus der Produktion, die kleine Prozesse einfach sehen.“
Nachhaltigkeit am Markt kommunizieren
Auch extern zeigt die Entwicklung Wirkung. „Gerade im deutschen Markt kennen viele Kunden den ZNU-Standard, einige sind selbst zertifiziert. In Nachhaltigkeitsbewertungen wird das zunehmend berücksichtigt.“
In den letzten drei bis vier Jahren sei die positive Resonanz deutlich gestiegen. Noch mehr Anerkennung für den Standard wünscht sich Rosenzweig vor allem vom Einzelhandel, aber auch im Ausland.
Warum das nicht nur für die AVO-Werke gut sein könnte, erklärt Guido Boberg, der Marketingleiter. Der ZNU-Standard sei in Präsentationen mit Kunden wie ein Joker. Er mache sichtbar, dass hinter dem oft strapazierten Begriff Nachhaltigkeit eine überprüfbare Systematik stehe, und zeige, dass die AVO-Werke das, was sie behaupten, auch tatsächlich umsetzen. Durch die Zertifizierung könnten sie sich keine Nachlässigkeiten erlauben. Nachhaltigkeit ist dadurch längst nicht mehr „Folie 37 von 38“, sondern eine der wichtigsten Fragen in Kundengesprächen und Ausschreibungen.
„Man merkt schon, dass die Bekanntheit vor allem in den letzten drei, vier Jahren gestiegen ist. Also dass große Industriekunden ihn auch gut anerkennen und wir uns da auf einer Ebene austauschen. Das ist schon nicht verkehrt.“
Der ZNU-Standard als System- und Taktgeber
Der ZNU-Standard ist wichtig für die Systematik. „Da können wir uns nicht dran vorbeimogeln. Wir sind angehalten, jedes Jahr zum gleichen Zeitpunkt unsere Analysen zu machen – ob Anspruchsgruppenanalyse, Produktscreening oder Chancen- und Risikoscreening. Daraus entstehen die Wesentlichkeitsmatrix und unser Fahrplan für das nächste Jahr.“
Diese Systematik hilft nicht nur bei der Umsetzung von Maßnahmen, sondern auch bei der Steuerung. „Jede:r kennt die Termine, jede:r hat seine Aufgaben und wir stimmen uns regelmäßig ab. Sonst biegt man schnell mal falsch ab.“
„Der Standard ist wichtig für die Systematik und dass wir da nicht dran vorbei können, sondern dass wir jedes Jahr zum gleichen Zeitpunkt unsere verschiedensten Analysen machen.“
Tipps für andere Nachhaltigkeitsmanager:innen
1. Die Vorarbeit ist enorm wichtig: Welche Daten und Fakten für die Analysen genutzt werden und welche Ziele und Maßnahmen daraus entstehen.
2. Langfristige Ziele entwickeln: Diese sollten die wesentlichen Themenbereiche abbilden und können in kleinteiligere Unterziele gegliedert sein. Der Vorteil: Es müssen nicht jedes Jahr neue Ziele formuliert werden, die möglicherweise nicht ausreichend getragen werden.
3. Transparenz und Authentizität: Wenn Nachhaltigkeit wirklich gelebt wird, verleiht das der Umsetzung Tiefe und Geschwindigkeit. Eine offene Kommunikation ist notwendig, um alle Beteiligten mitzunehmen. Besonders Skeptiker brauchen eine motivierende und unterstützende Ansprache. Diese lassen sich außerdem am besten mit klaren Zahlen und konkreten Effekten überzeugen.
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